Sechs Cluster, 19 Challenges und 300 internationale Teilnehmende aus über 15 Universitätskliniken, der Forschung und der Industrie: Im Rahmen des diesjährigen Healthcare Hackathon in den Berliner Ministergärten arbeiteten Ende Mai interdisziplinäre Teams zwei Tage lang an Ideen und konkreten Lösungen für die medizinischen Herausforderungen der Gegenwart und Zukunft.
Im Zentrum der durch das Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH) ins Leben gerufenen und gemeinsam mit PwC ausgerichteten Veranstaltung stand dieses Jahr die große Frage, wie Künstliche Intelligenz und speziell Large-Language-Modelle im Gesundheitsbereich genutzt und praktisch eingesetzt werden können.
Datenspende über TipluDB ermöglicht KI-Challenges und verdeutlicht erneut Potenzial des FHIR-CDR
Die Veranstaltung passte somit inhaltlich perfekt zu den Projekten und Fragestellungen, mit denen wir uns auch bei Tiplu beschäftigen. Selbstverständlich waren daher mehrere Tiplu-Kolleg:innen mit dabei – als Teilnehmer:innen sowie auch als Mitorganisator:innen ausgewählter Challenges.
Besonders freuen wir uns, dass wir mithilfe unseres FHIR-CDR TipluDB die Durchführung des Hackathons auch ganz elementar unterstützen konnten: Gemeinsam mit dem UKSH wurden über TipluDB strukturierte Behandlungsdaten für die Challenges zur Verfügung gestellt. Auf diese Weise konnten insbesondere Laborwerte, Vitalparameter, Medikamente oder die schriftliche Dokumentation in großem Umfang nutzbar gemacht werden. In sieben Jahren Hackathon durchaus eine Besonderheit, die erstmalig neue Möglichkeiten für die Teilnehmenden eröffnete und eine praktische Umsetzung der KI-Projekte überhaupt erst ermöglichte: „Eine besondere Neuerung beim Hackathon stellte die Nutzung von Echtdaten dar, Patientendaten aus denen der Personenbezug durch einen komplexen Algorithmus in TipluDB entfernt wurde, was eine realistische Bearbeitung von Fragestellungen erst ermöglicht und wesentlicher Teil des Erfolgs in den KI-Challenges war“, erklärte auch Rudolf Dück, CIO des UKSH.
Denn: Zu oft scheitern gute Ideen derzeit noch am Zugang zu strukturierten Patientendaten. Umso deutlicher zeigte die Datenspende hier erneut die große Relevanz der Nutzbarmachung von Gesundheitsdaten, die mit TipluDB möglich ist: Patienten- und Gesundheitsdaten aus Krankenhausinformations– und Subsystemen werden durch das FHIR-CDR in eine einheitliche Struktur gebracht, sodass sie als FHIR-Ressourcen interoperabel bereitgestellt und nutzbar gemacht werden können – etwa als Grundlage für die Entwicklung intelligenter Softwaresysteme im klinischen Alltag.
Challenges zeigen Möglichkeiten von KI und LLMs für Medizin und Pflege
Strukturiert wurde der Hackathon durch die Cluster „Triage und Workflows“, „Verbessertes Bildtraining von KI“, „Sprachmodelle für Mediziner und Pflege“, „Prävention per KI“, „Disease Management Programme mit KI Support“ und „Genius Ideas – neue Ideen für die KI in der Klinik“. Tiplu übernahm im Cluster „Sprachmodelle für Mediziner und Pflege“ gemeinsam mit IBM und myScribe die Hauptorganisation einer Challenge, in der es um Large Language Modelle in der Pflege und Medizin ging. Da es hier so viele Interessierte gab, wurde das Thema in mehrere Teilchallenges aufgeteilt.
In einer Teilchallenge galt es, Lösungen für die Unterstützung von Pfleger:innen und Mediziner:innen in Dokumentationsaufgaben zu entwickeln. Das Ziel: Klinikpersonal entlasten und den Dokumentationsaufwand reduzieren, um am Ende auch mehr Zeit für die Arbeit mit den Patient:innen zu schaffen. Hier entwickelte ein Team einen automatisierten Pflegeüberleitbogen, der aus den über TipluDB bereitgestellten Patientendaten des UKSH erstellt wurde: Die Pflegefachkraft muss damit relevante Informationen in der Dokumentation nicht mehr selbst (zeit)aufwendig suchen. Stattdessen sucht eine KI die Informationen in der Dokumentation, die dann von der Pflegefachkraft nur noch geprüft und ergänzt werden müssen.
In einer weiteren von Tiplu mitorganisierten Teilchallenge zu LLMs in der Pflege ging es um den Themenbereich „Explainable AI” – „Erklärbare KI“. Denn: Oft sind Large Language Models (LLMs) „halluzinierende Black-Box Modelle“, deren Ergebnisse und Ergebnisgrundlagen nicht wirklich nachvollzogen werden können. Mediziner:innen, die LLMs anwenden, müssen die Ausgaben der Modelle jedoch effizient validieren können. Im Zuge der Challenge war das Ziel daher die Projektion der KI-generierten Epikrise auf die Originaldokumente (= farbliches Hervorheben der Quellen).
In beiden Challenges konnten wir unsere Erfahrung aus der Entwicklung von MAIA Doc*, unserem neuen Tool für automatisierte Arztbriefschreibung, einbringen. So konnten wir insbesondere unsere Expertise bei LLM-Zusammenfassungen von ärztlicher und pflegerischer Dokumentation nutzen und Prototypen konkreter Erweiterungen für MAIA Doc* entwickeln.
KI, die Mediziner:innen unterstützt und gleichzeitig schult
Als Teilnehmer waren Tiplu-Kollegen darüber hinaus in den Challenges „Combining Risk Prediction Tools with Text Mining in Intensive Care Medicine” und „Upskilling statt Deskilling – KI-gestützte Weiterbildung für zukunftsfähige Fachärzt:innen“ aktiv. In Ersterer konnte unter anderem gezeigt werden, dass ein LLM sehr gezielt mit FHIR-Daten patientenspezifisch eingesetzt werden kann – z. B. für Risikoprädiktion in der Intensivmedizin.
In der Deskilling-Challenge stand die Frage im Mittelpunkt, wie KI Mediziner:innen bei der klinischen Arbeit unterstützen kann, ohne dass dabei Fähigkeiten verloren gehen („Deskilling„) – etwa, weil Mediziner:innen KI-Empfehlungen nicht mehr hinterfragen. Die Teilnehmenden entwickelten hier noch bis in die tiefe Nacht im Tiplu-Büro, als der Hackathon-Veranstaltungsort schon geschlossen war, einen Prototypen der App „Skilly“, die Mediziner:innen darin unterstützt, Patient:innen nach etablierten Behandlungsleitlinien zu versorgen. Denn: Diese sind meist hunderte Seiten lang und in der im Klinikalltag verfügbaren Zeit kaum zu überblicken. Skilly bringt den Inhalt der Leitlinien direkt mit stationären Versorgungsdaten von einzelnen Patient:innen zusammen. So können Mediziner:innen bspw. einen komplexen Histologiebefund mit der App besprechen und die Konsequenzen auf den individuellen Behandlungspfad evaluieren. Die Antwort wird den Anwendenden allerdings nicht direkt präsentiert. Vielmehr leitet Skilly mittels gezielter Nachfragen zur richtigen Lösung. Statt „Deskilling“ findet also sogar ein „Upskilling“ statt!
Beide Challenges zeigten das Potenzial der LLM-Nutzung für die klinische Versorgung und boten auch Inspirationen für sinnvolle Erweiterungen unserer zukünftigen Clinical Decision Support-Software MAIA. Beispielsweise könnten Mediziner:innen bei der Behandlung komplexer Fälle durch die Kombination von Leitlinien und patientenspezifischen klinischen Versorgungs-daten mittels LLMs unterstützt werden. Basis solcher Anwendungen ist die Verfügbarkeit strukturierter Patientendaten, die TipluDB sowohl hinsichtlich Trainingsdaten als auch mit Fallaktualisierung zur Anwendungsintegration anbietet.
Jede Menge Ideen und viel Potenzial für die Zukunft
Ganz allgemein waren die Workshops und die dazugehörigen Hacker-Sessions eine sehr spannende Erfahrung – es war wieder einmal beeindruckend zu sehen, wie viel ein bunt zusammengewürfeltes Team mit unterschiedlichen Hintergründen und Fähigkeiten innerhalb kürzester Zeit entwickeln kann – alle Teilnehmenden waren mit Herzblut dabei und tüftelten teilweise bis spät in die Nacht an ihren Projekten!
Darüber hinaus war Dr. med. Lukas Aschenberg bei der Hackathon-Podiumsdiskussion zu Gast. Dort diskutierte er unter anderem mit Dr. med. Malte Schmieding, Referent für neue Technologien und Datennutzung im Bundesgesundheitsministerium (BMG) und Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Jens Scholz, Vorstandsvorsitzender des UKSH und Vorsitzender des Verbands der Universitätsklinika Deutschlands (VUD) zum Thema „Transformation von medizinischen Arbeitswelten durch Large Language Modelle“. Hier forderte unser Gründer und CEO zum wiederholten Male die gesetzliche Verankerung eines verbindlichen Standards für die Datenspeicherung und -verarbeitung im deutschen Gesundheitswesen.
Vielen Dank an das UKSH und PwC für die intensiven, aber umso spannenderen zwei Tage – wir freuen uns, dass wir das Event in verschiedensten Bereichen und Rollen miterleben und -gestalten durften. Wir konnten jede Menge Inspiration für unsere eigene Arbeit sammeln und sind darüber hinaus natürlich gespannt, von welchen Projekten und Ideen wir in Zukunft noch mehr hören werden.
*Arbeitstitel